Mythos „Glycerin trocknet die Haut aus“ – was ist dran?
Seit Jahren hat Glycerin den Ruf weg, die Haut auszutrocknen. Stimmt das überhaupt? Ja und nein. Wie bei so vielen Inhaltsstoffen kommt es auch hier auf die richtige Konzentration und Kombination an.
Damit du dies nachvollziehen kannst, lass mich dir kurz die Funktion von Glycerin erklären: Glycerin zieht Wasser wie ein Magnet an. Dieser Effekt ist erwünscht, denn er macht diesen Inhaltsstoff zu den besten Feuchtigkeitsspendern überhaupt.
Woher stammt dann das Gerücht, dass Glycerin austrocknend wirken soll? Wie gesagt, Glycerin liebt Wasser. Dabei ist es dem Glycerin aber reichlich egal woher das Wasser stammt, Hauptsache es ist leicht verfügbar. Es kann aus drei Quellen stammen:
- Wasser aus der Umgebungsluft (bei hoher Luftfeuchtigkeit)
- Wasser aus anderen Inhaltsstoffen im Produkt
- In der Haut gespeichertes Wasser
Vielleicht ahnst du schon, aus welcher Quelle sich das Glycerin nicht bedienen sollte? Genau, aus Quelle 3: Wasser aus deiner Haut! Sobald Glycerin nämlich aus anderen Quellen nicht genug Wasser bekommt, zieht es Wasser aus den tieferen Hautschichten nach oben an die Hautoberfläche. Der austrocknende Effekt entsteht. Zwei Faktoren verhindern, dass es dazu kommt: die richtige Formulierung und die passende Konzentration.
Glycerin sollte von wasserhaltigen Inhaltsstoffen begleitet werden
Dem Glycerin mag zwar egal sein, woher es sein Wasser bezieht, aber deiner Haut natürlich nicht. Wichtig ist also, dass Glycerin immer von anderen feuchtigkeitsspendenden Inhaltsstoffen begleitet wird. Dann bindet es kein Wasser aus deiner Haut, sondern bedient sich am Wasser aus dem Produkt. In dieser Kombination befeuchtet Glycerin deine Haut tief und langanhaltend.
Ganz klasse im Zusammenhang mit Glycerin ist übrigens eine hohe Luftfeuchtigkeit, sprich der Urlaub in feucht-warmem Klima oder auch ein guter Luftbefeuchter zuhause. Im heimischen Winter hingegen solltest du extra pingelig auf eine gute
Feuchtigkeitspflege achten!
Musst du nun Angst haben, dass dein Produkt mit Glycerin die Haut austrocknet? Nein. Heute werden Kosmetikprodukte ja mit diesem Wissen formuliert. Kein Grund zur Panik also, denn in hochwertigen Feuchtigkeitscremes und Seren ist Glycerin so dosiert und kombiniert, dass es sich von seiner besten Seite zeigt.
☝️ Tipp: Erkenne wasserhaltige Stoffe auf der INCI-Liste: Noch vor dem Glycerin sollte mindestens ein wasserhaltiger Inhaltsstoff vorkommen. Am besten an erster bis zweiter Stelle. Zum Beispiel Aqua, Aloe Barbadensis Leaf Juice oder …Flower Water.
Wie erkenne ich, ob zu viel Glycerin in meiner Creme steckt?
Je mehr Glycerin im Produkt enthalten ist, desto höher der Wasserbedarf. Ab einer zu hohen Konzentration lässt sich das in der Rezeptur irgendwann nicht mehr ausgleichen. Deshalb spielt auch die Dosierung des Glycerins eine wichtige Rolle.
Der austrocknende Effekt stellt sich ein, wenn ein Produkt zu mehr als 10% aus Glycerin besteht. Falls du dich online schon ein wenig informiert hast, ist dir vielleicht aufgefallen, dass manche Quellen erst ab 30% von einer austrocknenden Wirkung sprechen. Woran liegt das? Nun, der Effekt schlägt ja nicht plötzlich um.
Konzentrationen bis 10% sind in der Hautpflege unbedenklich. Darüber verkehrt sich die Wirkung schrittweise ins Gegenteil bis es dann ab 30% wirklich kritisch wird. Bei Produkten für die Hautpflege liegt der Glycerin-Anteil meist bei 3–5%, also deutlich im «sicheren» Bereich.
☝️ Tipp: Glycerin sollte auf der INCI-Liste nicht an erster oder zweiter Position stehen, denn die Inhaltsstoffe werden nach eingesetzter Menge absteigend aufgelistet. Steht Glycerin ab der dritten Stelle, ist es wahrscheinlicher, dass die eingesetzte Konzentration bei 10% oder tiefer ist.